Donnerstag, 13. September 2012

Kulturelle Unterschiede und die Nutzung von Social Media

Soeben hat mich ein Blogeintrag ( http://bit.ly/SbgYEi ) berührt, der die Unterschiede zwischen den USA und Deutschland in der Social Media Nutzung thematisiert. Bei mir kommt der Tenor des Beitrags so an, als wäre Deutschland ein Entwicklungsland. Vor allem, weil die Deutschen nicht das Nutzungsverhalten der US-Amerikaner kopieren, welches doch vorbildlich sei. Was mir besonders missfällt ist der suggestive Unterton, der das amerikanische Nutzer-Verhalten vorbildlich erscheinen lässt, während die eher kritische Annäherung der Deutschen an Social Media als antiquiert und überholt dargestellt wird. Zum Abschluss wird das unreflektierte Kopieren des amerikanischen Nutzer-Verhaltens fast schon zur Gesetzmäßigkeit stilisiert. Ist das so?

Bei der Bewertung der Unterschiede der Social-Media-Nutzung vernachlässigt der Autor m.E. einen wesentlichen Faktor: Die Kulturellen Unterschiede.

Die bisherigen Hypes bei der Einführung (und dann auch Nutzung) neuer IuK-Technologien, wie wir sie in den letzten 20 Jahren erlebt haben, haben sich sowohl dies als auch jenseits des Atlantiks mehr oder weniger im Gleichschritt vollzogen. Ihnen war gemein, dass innovative Produkte eingeführt wurden, die einen klar definierten Nutzen versprachen (z.B. Handy: Telefonieren - von unterwegs; E-Mail: Briefe elektronisch versenden;  PC: Büroorganisation). Diese Innovationen konnten schnell in den Lebens- und Arbeitskontext integriert werden, weil sie für die laufenden Prozesse anschlussfähig waren und eine Verbesserung der bekannten Situation versprachen.

Im Gegensatz dazu besitzen Social-Media-Anwendungen eine Nutzungsoffenheit. Wie sie genutzt werden, entscheidet der Nutzer bzw. die Nutzergemeinschaft. Und je nach Art der Nutzung und der inhaltlichen Verankerung entsteht für den Anwender ein spezifischer Sinn für die Nutzung. Alleine schon beim Erschließen der Möglichkeiten zeigen sich jetzt kulturelle Unterschiede zwischen US Amerikanern und Deutschen. Verkürzt könnte man sagen: Der Amerikaner probiert aus, der Deutsche plant, bevor er loslegt. Und auch die Art und Weise wie man mit persönlichen Daten umgeht, hat unterschiedliche kulturelle Wurzeln. Die sich in der Kultur vereinenden Werte und Normen sind Grundlage für das gesellschaftliche Zusammenleben. Und sie sind träge. Kulturelle Veränderungen brauchen Zeit.

Insofern ist es gar nicht verwunderlich, dass gerade bei der Social-Media-Nutzung Unterschiede zwischen den USA und Deutschland festzustellen sind. Die Deutschen werden das US amerikanische Verhalten nicht 1:1 kopieren. Nicht, weil es Abneigungen gäbe zu Trends aus den USA, sondern weil es nicht unbedingt zu unserer Kultur passt. Allerdings ist anzunehmen, dass das dortige Nutzerverhalten entsprechend unserer kulturellen Wertevorstellungen adaptiert wird. Dabei kann auch ein ganz anders- bzw. neuartiges Nutzerverhalten entstehen, wenn es den Usern einen Sinn stiftet und Vorteile verspricht. Ein Vergleich, welches Verhalten besser ist, ist aufgrund der unterschiedlichen kulturellen Basis abstrus.

Während die obige Betrachtung eher die kulturelle Makroebene beleuchtet, lässt sich abschließend auch eine Analogie auf der Mikroebene (der Unternehmensebene)  aufzeigen. Die Einführung und Nutzung von Social-Media-Anwendungen in die betrieblichen Prozesse (Enterprise 2.0) lässt sich nicht schablonenhaft durchführen. In jedem Unternehmen finden wir eine spezifische Kultur vor, die oft über Jahrzehnte gewachsen ist. Eine Enterprise-2.0-Einführung  wird dann scheitern, wenn sie gegen die im Unternehmen vorherrschende Kultur arbeitet und den Mitarbeitern die Nutzung unsinnig erscheint und keine Vorteile verspricht.